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Sonntag, 27. November 2016

Kapitel 8 - Briefe und Kriegsereignisse vom 19.11.1944

Meine Lieben,

Agnes war richtig fleißig in den letzten Tagen. So passierte es, dass sie gleich 3 Nachrichten an ihren Alfons schrieb. Allerdings fehlt beim ersten Brief ein folge Blatt. Es wird bei der Feldpost verloren gegangen sein. In unserer Sammlung war es leider nicht zu finden.
Ich schreibe Euch die Nachrichten wieder ab und füge anschließend eine Erklärung bei. Die Kriegsgeschehnisse dürfen wie immer nicht fehlen.

Elfter bis Dreizehnter Brief



 Verl, den 19.11.44.

Mein lieber Alfons!

Gerade bin ich von meinem Sonntagsspaziergang zurück gekommen. Von eins bis drei habe ich meine Schritte in Gottes freie Natur gelenkt. Ja, meine lieber Alfons, ich bin dann all die Wege gegangen, die wir oft zusammen durchwandert haben. Es war so seltsam schön und dich so einsam. Ich sah wie dort verschiedene Päärchen Arm in Arm unsre schönen Heimatfluren durchquerten. Und ich, ja war ganz allein, doch in Gedanken sah ich Dich neben mir schreiten. Habe mir dann noch einmal die schöne sonnige Vergangenheit zurückgewünscht. Hoffentlich dauert dieses nicht mehr allzulange, wo wir wieder Seite an Seite, als Stolz unserer leiben Eltern in der Heimat sein können. Ich werde nie vergessen, in jedes Gebet Dich mit einzuschließen. Denn ich weiß, für wen ich es tue. Das Bild, welches Du  mir beigelegt hast ist zwar nicht so gut geraten, wie das andere. Doch bist Du ganz schön geworden und bist doch immer noch meine lieber guter Alfons! Ich danke Dir auch vielmals für die schöne Aufnahme. Dann bittest Du mich, ich möchte Dir doch schreiben, durch wen dieses genannte Gerücht Dir unterbreitet wurde. Nun will ich Dir die Wahrheit sagen, was ich vermute. Du weißt doch, daß Deine Chousine
Wie äußerst ärgerlich es doch ist, dass wir nun nicht Agnes' Wahrheit erfahren können... Dabei wurde es doch gerade so spannend...Agnes konnte auch etwas sentimental und theatralisch sein - in ihrer Situation aber auch verständlich und keineswegs verwerflich. Die Sehnsucht schwebt in jeden Wort mit. 


Verl, den 19.11.44.

Mein lieber Alfons!
Hatte mir nun heute morgen ein paar Marken in Urlaubermarken umgetauscht. Nun wollte ich dieselben mit in den eben an Dich gerichteten Brief stecken. Habe es jedoch vergessen und den Brief schon zugeklebt. Nun will ich die Marken schnell in einen anderen Umschlag legen und sie Dir schicken. Herzliche Grüße von Deiner 
Agnes.


Verl, den 19.11.44.

Mein lieber Alfons!

Wieder einmal sind wir am Ende der Woche angelangt. Und zwar ist es nun schon fast 22 30 Uhr. Trotdem will ich Dir noch einen recht lieben Wochenendgruß in die Ferne schicken. Mir geht es noch sehr gut. Von Dir hoffe ich sicherlich dasselbe. Hast Du immer noch keine Post von mir bekommen? Ich habe doch immer geschrieben. Das liegt nur an der Postverwaltung. Hoffentlich bekommst Du meine Päckchen auch noch. Drei 100gr.-Päckchen habe ich abgeschickt, und zwei 1-Kilo-Päckchen, habe ich etwas später mitgegeben. Es täte mir leid, wenn sie Dich nicht erreichten. Wie ich Dir im gestrigen Brief schrieb, war ich am gleichen Tag bei Euch zu Hause. Du hast vielleicht schon von Deiner Mutter erfahren, daß Hubert auch fort muß. Er kommt zum Arbeitsdienst nach Radhen, bei Oldenburg. Dann sind Deine Eltern ganz alleine. Es ist nur gut, daß Dein Vater den Russen noch hat, der kann ihm doch manche Arbeit entnehmen. Er fehlt ja überall an Arbeitskräften. Sonst ist wohl alles noch beim Alten. Will nun schließen, denn ich bin müde, von den Anstrengungen des Tages. Zum Schluß sei herzl. gegrüßt und geküßt von Deiner Dichl. Agnes. Herzliche Grüße von meinen lb. Eltern u. von Paula.


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Lebensmittelkarte für Urlauber

 Erklärung der Marken

Eine Lebensmittelmarke ist ein vom Staat ausgegebenes Dokument zur Bescheinigung, dass der Besitzer ein bestimmtes Lebensmittel in einer bestimmten Menge kaufen darf. 
Im Laufe des Krieges wurde das Bestellschein-System durch ein sogenanntes „durchlaufendes Bezugsrecht“ ersetzt: Händler schnitten beim Verkauf der Ware die entsprechende Marke ab, klebten sie auf Sammelbögen und erhielten dafür dann einen Bezugsschein, den sie beim Großhändler oder Importeur vorlegten.
Kartoffeln, Obst und Gemüse wurden in den ersten Monaten noch frei verkauft. Die anfangs ausgeteilte „Einheitskarte“ wurde bald durch unterschiedliche Karten ergänzt oder ersetzt. 
Lebensmittelkarte von Alfons
Ende 1939 gab es Karten für Schwer- und Schwerstarbeiter und eine für Lang- und Nachtarbeiter. Es gab Brot-, Fleisch-, Fett-, Eier- und Marmelade/Zuckerkarten. Außerdem wurden unterschiedliche Karten für Kleinst- und Kleinkinder, für Kinder bis zu sechs Jahre, für Jugendliche und Erwachsene ausgeteilt. Die Landbevölkerung, die sich zumindest teilweise selbst versorgen konnte, erhielt geringere Rationen. Sogenannte Normalverbraucher machten 55 % der Empfänger aus, Kinder und Jugendliche 31 % und 14 % waren als Lang-, Schwer- oder Schwerstarbeiter eingestuft. 
Deutsche Juden waren von allen Sonderzuteilungen ausgeschlossen und erhielten ab Oktober 1942 keinerlei Fleisch- und Kleiderkarten. Die Rationierung der Lebensmittel verschärfte auch die Situation von Juden und anderen Personen die untergetaucht waren um der Verhaftung oder Deportation zu entgehen: Ohne Karten war ihnen die Beschaffung von Lebensmitteln kaum möglich; eventuell vorhandene Helfer konnten ihnen so gut wie nichts abgeben, da die Rationen zu knapp bemessen waren um davon noch eine oder gar mehrere versteckte Personen zu versorgen. (mehr dazu findet Ihr hier - ist gleichzeitig die Quellenangabe)

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Kriegsereignisse am 19.11.1944

  • Zur Eröffnung der “6. Kriegserzeugerschlacht” gibt der deutsche Reichsernährungsminister Herbert Backe “Richtlinien für die Arbeit im sechsten Kriegsjahr” für alle Landwirte heraus.
    U 570/HMS Graph, Aufnahme der HMS Graph
  • Die britische Admiralität bestätigt offiziell, dass ein deutsches U-Boot seit August 1941 für die britische Flotte fährt. Der Kommandant von “U 570” war vor drei Jahren mitsamt seinem Boot übergelaufen und hat seither mit großem Erfolg gegen die deutsche Seemacht gekämpft. (Quelle)
HMS Graph war ein britisches U-Boot des deutschen Typs VII C. Sein ursprünglicher Name bei Indienststellung war U 570, bei der Royal Navy trug es neben dem Namen die zusätzliche Ordnungsnummer P 715. Das U-Boot war das einzige deutsche U-Boot, das im Zweiten Weltkrieg von beiden Seiten eingesetzt wurde.
U 570 wurde am 21. Mai 1940 bei Blohm + Voss in Hamburg auf Kiel gelegt und unter dem Kommando von Kapitänleutnant Hans-Joachim Rahmlow am 15. Mai 1941 in Dienst gestellt. Danach gehörte das Boot für drei Monate zur Besatzungsausbildung der 3. U-Flottille in Kiel an, bevor es im August 1941 als fronttauglich nach Trondheim verlegt wurde. Am 23. August 1941 verließ das Boot Trondheim, um im Nordatlantik zu operieren und anschließend seine endgültige Basis in La Pallice im besetzten Frankreich anzulaufen.

Jetzt haben wir nur noch einen Brief im Dezember, den Agnes ihrem geliebten Alfons geschrieben hat, bzw. einen der erhalten ist. Es geht auf Weihnachten zu... genau wie wir hier mit unserem "Buch" (Blog). Bleibt gespannt auf den letzten Brief im Jahr 1944 und einer wirklich ergreifenden Geschichte, die danach folgen wird.

Sonntag, 20. November 2016

Kapitel 7 - Neunter und Zehnter Feldpost-Brief - Krieggeschehnisse

Meine Lieben,


Agnes griff hier wieder auf das Feldpost-Formular zurück. Scheinbar wurden diese Briefe eher zugestellt. Ich werde Euch beide Briefe abschreiben und danach alle Ereignisse wiedergeben. Agnes hat nicht so viel schreiben können, aufgrund des begrenzten Platzes. Auf der Welt passierte aber umso mehr.

Neunter Brief


Verl, den 15.11.44.

Mein lieber Alfons!

Noch zu später Stunde will ich Dir einen lieben Gruß ins Feld senden. Es ist nämlich schon 1/2 11 Uhr. Wir hatten heute große Wäsche (heute) bin auch ganz erledigt und todmüde. Doch bekam ich gestern einen lieben Brief vom 6.11. von Dir und heute erhielt ich einen vom 8.11. Ich habe mich sehr gefreut und will auch gleich heute noch antworten. Wie ich aus Deinen lieben Zeilen ersehe, geht es Dir noch gut. Von mir kann ich dasselbe berichten. In der letzten Woche habe ich nur einmal geschrieben. Ich hatte aber auch keine Zeit. Im vorletzten Brief habe ich Dir ja schon die Ereignisse der vergangenen Woche geschildert. Werde aber jetzt jede Minute ausnutzen, um Dir das Neuste aus der Heimat mitzuteilen. Wie Du schreibst, ist es dort schon furchtbar kalt und Du mußt so frieren. Lieber Alfons, ich habe Dir ein paar Pulswärmer gestrickt, nun bekomme ich von meiner Tante einige Zulassungsmarken. Werde sie Dir dann sofort schicken. Hoffentlich hast Du meine anderen Päckchen bekommen. Nun will ich schließen, denn meine Augen fallen mir zu. Nun sei für heute recht herzlich gegrüßt und geküßt
von Deiner Dichliebenden 
Agnes
Einen lieben Gruß von meinen Eltern u. von Paula.

Zehnter Brief


Verl, 17.11.44.

Mein lieber Alfons!

Noch zu später Stunde sende ich Dir recht herzliche Grüße. Am Mittwoch bekam ich Deinen lieben Brief vom 8.11. Ich habe mich sehr darüber gefreut und danke Dir herzlich. Wir hatten am Mittwoch große Wäsche und des morgens wollte alles nicht so klappen. Als natürlich der Briefbote mit einem lieben Brief von Dir kam, k ging alles noch eimal so schnell. Kannst mal sehen, wie das wirkt. Heute nachmittag war ich bei Euch zu Hause und habe Fleisch geholt. Deine Mutter hatte gerade ein Weihnachtspäckchen fertig gepackt und sie hatte keinen, der ihr das Packet zur Post brachte. Da habe ich es ihr mitgenommen. Sie hat mir auch noch ein paar Zulassungsmarken mitgegeben. Ich habe mich riesig gefreut, jetzt kann ich Dir auch  mal etwas schicken. Du hattest Deiner Mutter geschrieben, sie möchte Dir so ein paar Handschuh, nur m bis an den Daumen stricken. Die wollte ich Dir schon schicken. Ich habe Dir nämlich von Schafwolle solche gestrickt. Nun will ich aber mit dem Schicken noch etwas warten, wenn Du schließlich woanders hin kommst. Es wäre schade, wenn sie verlorengingen. Nun zum Schluß nochmals herzliche Grüße 
von Deiner Agnes.
Viele Grüße von meinen lb. Eltern u. Paula

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Nun die Kriegsgeschehnisse

Josip Tito und Churchill
(Wikipedia)

15. November 

  • Die Belieferung der jugoslawischen Befreiungsarmee unter Josip Tito mit Kriegsmaterialien erreicht einen Höhepunkt. In den vorangegangenen 48 Stunden transportierten 500 britische Flugzeuge 660 t Hilfsgüter in die von den Partisanen kontrollierten Gebiete.

    Dwight D. Eisenhower (1954)
  • Die französische Regierung überlässt vorübergehend dem alliierten Oberkommando unter US-General Dwight D. Eisenhower den Eiffelturm in Paris als Rundfunkstation.

  • Das Kriegsproduktionsamt der Vereinigten Staaten teilt mit, dass sich die täglichen Kriegskosten der USA auf rund 286 Millionen US-Dollar belaufen.

16. November 

  • Die Lebensmittel können im Deutschen Reich nicht mehr gleichmäßig verteilt werden, da das Transportsystem völlig überlastet ist. Dies geht aus einer Verlautbarung des Reichsernährungsstandes hervor.
Düren nach der Bombardierung (Quelle)

  • Um den amerikanischen Vormarsch in das Rheinland zu unterstützen, waren die rheinischen Städte Heinsberg, Jülich, Euskirchen und Düren bombardiert worden. Euskirchen und Düren hatte es dabei besonders hart getroffen.

17. November 

    Franklin Delano Roosevelt und
    Stanislaw Mikolajczyk
    (Bildquelle)
  • US-Präsident Franklin Delano Roosevelt teilt auf eine Anfrage des Ministerpräsidenten der polnischen Exilregierung, Stanislaw Mikolajczyk, mit, dass die USA keine Garantie für die Grenzen Polens übernehmen können.

  • Die Mitglieder des weiblichen Arbeitsdienstes werden im gesamten Deutschen Reich künftig zur Bedienung der Scheinwerfer bei der Flak eingesetzt; die freiwerdenden Soldaten gehen an die Front. (Quelle)

Allmählich gehen Hitler die Verbündeten aus und die Gegner schließen sich immer mehr zusammen. Es steht ein kalter und harter Winter bevor - da rückt man gerne zusammen.

Sonntag, 13. November 2016

Kapitel 6 - Siebter und Achter Brief - Kriegsgeschehnisse

Meine Lieben,

Endlich hat Agnes etwas von Alfons "gehört"... 
Seht was sie in ihrem siebten Brief geschrieben hat... und spürt ihre Emotionen... Agnes, wie sie eben war!

 Verl, den 5.11.44.

Mein lieber Alfons!

Nach drei Wochen langem Warten, erhielt ich am Freitag Deinen lieben Brief vom 25.10. Ich habe mich sehr gefreut, endlich einmal wieder ein paar liebe Zeilen von Dir in Händen zu halten. Ich erwidere Deinen lieben Brief mit herzlichen Dank und den besten Sonntagsgrüßen. Wie Du schreibst, hast Du zwei meiner Briefe bekommen.
Komme nun gerade aufs der Andacht, will jetzt den angefangenen Brief vollenden. Der Herr Pater hat wieder einmal wunderbar gepredigt, im Hinblick auf das Fest "Aller Heiligen". Selbstverständlich hat er auch die Panzerliebchen erwähnt.
Lieber Alfons, Du meinst also auch für
Zivilisten wäre in Verl jetzt kein Platz mehr. O ja, die Verler Damen haben sich im allgemeinen nicht so gut bewährt, in Beziehung auf Panzerbetreuung. Die meisten haben schon die Nase voll. Ich hatte am Freitag im Cafe Dienst. Aber immer wieder mußte ich, ob ich wollte oder nicht, mit anhören, wie die Herren verschiedene Damen mannhaft mannhaft machten un über dieselben witzelten und lachten. Scheinbar marken die Mädchen das garnicht. Ich staune nur. Man kann das alles nicht so wiedergeben, was alles hier vorkommt.
Nun zur Sache. Du schreibst in Deinem Brief und erklärst alles, was mir bisher unerklärlich war. Auch fragst Du mich, ob ich die genannte Ursula nicht gesehen hätte. Ja, gesehen habe ich sie zwar, doch könnte ich sie mir nicht vorstellen.

Ja, lieber Alfons, all das versteh ich und glaube es auch gern. Aber eines kann ich nicht fassen, daß Du wirklich meinst, ich nahm Dich nicht ernst. Wäre das der Fall, hätte ich ja schon längst abschwenken können. Ich hoffe doch, daß Du mir so viel Vertrauen schenkst und mir nicht so etwas zumutest. Wenn man mir auch fälschlich alles möchliche nachsagt. Auch Duch schreibst, ich wäre oft noch Herford gefahren. Nein, lieber Alfons, das kannst Du mir ja nun nicht vorwerfen. Erstens bin ich nur ein einziges mal nach Herford gewesen und 2. lediglich nur um dort meinen Bruder um Lazarett zu besuchen. Nicht wie Du annimmst, mich dort zu amüsieren. Schließlich bin ich ja keine Abendteurin. Das Rolf Dich so gefragt hat finde ich komisch. Bin ich ihm
vielleicht so vorgekommen. Du schreibst, wenn wir zusammen gewesen wären, hätte ich oft wegwerfende Bemerkungen gemacht und geringschätzig über Dich gelacht. Also, ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus. So böse war das doch sicherlich nicht gemeint. Du kennst doch auch das alte Sprichwort: "Was sich liebt, das neckt sich." Und ich glaube, das ist auch bei uns so. Aber trotzdem komme ich mir wie ein schwarzes Schaf vor. Besonders jetzt, wo Du mir vorwirfst, ich hätte Deine Briefe meinen Freundinnen lesen lassen. Nein, da bleibt mir aber langsam der Verstand stehen. Dein ersten Brief, den Du mir mit den Bildern zusammen schicktest, habe ich Anneliese vorgelesen, weil Du in demselben von den Bildern schriebst. Und weiter hat keine meiner Freundinnen einen Deiner Briefe gesehen.
Das man mir eine solche Gemeinheit nachsagt, hat mich schwer getroffen. Ich weiß ganz genau, daß es Mißmacher genug in Verl gibt, die alles versuchen, mich nur schlecht zu machen und ins falsche Licht zu stellen. Auch weiß ich nur zu gut, woher dieses alles rührt.
Ich habe, als ich den Brief gelesen hatte, mich in mein Schlafzimmer gesetzt und mich ausgeweint. Dann konnte ich die Stille um mich nicht mehr ertragen, bin zu Mutter gegangen und habe ihr mein Herz ausgeschüttelt. Sie hat mir das eine gesagt: "Wer liebt, muß leiden." Mit dem Gedanken habe ich mich dann vertraut gemacht und bin wieder an  meine Arbeit gegangen. Habe mir gesagt, ja, meine Mutter hat recht. Gern will ich leiden, aber wenn man mir etwas unwahres in so einer Form nachsagt, das kann ich nicht ertragen. Wenn andre also mehr Einfluß auf Dich haben, als ich tut es mir
wirklich leid. Ich hoffe allerdings doch, daß Du mir soviel Vertrauen schenkst und mir glaubst. 
Lieber Alfons, Du schreibst, vielleicht schicktest Du mir im nächsten Brief ein Bild von Dir mit. Du wirst wohl inzwischen meinen Brief erhalten haben in dem ich Dir mitteilte, daß Deine lb. Mutter mir schon ein Bild geschenkt hat. Es ist ja ganz wunderbar geworden. Genau so natürlich wie Du bist. 
Ich hatte Dir auch geschrieben, daß der Hermann Wittkemper gefallen wäre. Das muß ich allerdings wiederrufen, denn das haben die Leute mir so erzählt. Ein Mädel hat auch einen Brief zurück bekommen, mit dem Vermerkt "Gefallen für Großdeutschland." Nun muß man erst einmal abwarten. Wäre ja furchtbar, wenn es wahr wäre.
Nun will ich endlich schließen und Dich
recht herzlich grüßen
Deine Dich liebende
Agnes
Einen schönen Gruß von meinen lb. Eltern und von Paula

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Man merkt deutlich wie es Agnes geht und dass man sie ganz schön verletzt hat. Aber sie schreibt es ehrlich nieder und so war sie einfach.

Sonst passierte an diesem Sonntag, des 5. Novembers 1944 nicht sehr viel:

  • Deutsche Truppen erobern die ostpreußische Stadt Goldap zurück, die am 22. Oktober von der Roten Armee eingenommen worden war.
Alliiertes Flugblatt ZG 75 (Vorderseite), abgeworfen über Frankfurt

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Achter Brief

 Verl, den 11.11.44.

Mein lieber Alfons!

Nach einer angeregten und mit Arbeit überfüllten Woche, sende ich Dir recht herzliche Sonntagsgrüße. Habe von Dir in Kürze drei liebe Briefe bekommen und vom 11.10., vom 27.10. und vom 31.10. Ich wußte vor Freude nicht wohin. Sage Dir auch meinen herzlichen Dank. In der vergangenen Woche, habe ich wirklich  nicht schreiben können. Wir hatten den Anstreicher im Haus. Dann war in derselben Woche Schlachttag und großes Wursten. Nun kannst Du Dir ungefähr vorstellen, wieviel Arbeit bei uns war. Und alles bleibt doch so zu sagen nur auch auf meiner Mutter und mir hängen. Und dazu muß ich noch in der Backstube helfen. Ich möchte manchmal verzweifelt. Aber dann sage ich mir immer wieder, es ist gut, daß man noch Arbeit hat, damit man besser über alles hinwegkommt. Heute nachmittag war ich zum Heimabend und anschließend zur Andacht. Bin dann schnell nach Hause gegangen, denn ich wollte Dir ja noch schreiben. Als ich

natürlich wiederkam saß der Skatklub zusammen. Da war es für mich zu unruhig. Sitze jetzt im Zimmer. Der Regen schlägt nur immer so an die Fenster. Es ist nämlich seit acht Tagen ein furchtbares Wetter. Nur Regen u. Sturm.
Lieber Alfons, Du hast doch die Anni gekannt, mit der ich mal auf Holzschuhball bei Euch zu Hause war. Deren Mutter und ihr viereinhalbjähriges Brüderchen sind heute morgen mit einem Militärlastwagen hier angekommen. Haben alles verloren, das Haus ist ausgebrannt. Was die arme Frau mitgemacht hat, kann man garnicht schildern. Sie ist seit Donnerstag abend unterwegs gewesen. Das Auto hat wohl versagt, dann sind sie wieder in einem Vorort von Wanne-Eickel einem Bombenhagel ausgesetzt gewesen. Die Frau ist mit ihren Nerven total herunter. Dazu hat sie noch ein offenes Bein. Ende dieser kommenden Woche wird sie wohl ins Krankenhaus kommen. Den kleinen Heinz behalten wir bei uns. Das ist vielleicht ein kleiner Räuber. Der bekommt noch viel Rüge ehe der mal so ist, wie er sein muß. Aber ich werd' ihn schon erziehen. Der hängt jetzt schon den ganzen Tag an mir.
Lieber Alfons, Du schreibst in Deinem Brief Du wärest gespannt, wie lange wohl der Brief mit der Freimarke unterwegs wäre. Den habe ich von all den frei anderen Briefen zu erst erhalten. Derselbe war sechs Tage unterwegs. Es ist schade, daß die Post so schlecht verkehrt. Am Freitag habe ich zwei ein-Kilo-Päckchen abgeschickt an die genannte Adresse. Eines mit Äpfeln und ein zweites mit sonstigen Sachen. Hoffentlich bekommst Du sie bald. Es täte mit leid, wenn sie nicht den Bestimmungsort erreichen.
Dann schreibst Du, daß dort so viele Partisanen sich herumtreiben. Nimm Dich nur in acht vor dieser Bande. Mein Bruder ist sehr wahrscheinlich auch von Herford weggekommen. Denn er schreibt nicht und ruft nicht an, und alle Briefe, die wir an ihn geschrieben haben, kommen zurück, mit dem Vermerk: "Zurück; Neue Anschrift abwarten." Nun bin ich mal gespannt, wo der arme Kerl steckt. Werner Diekämper ist auch verwundet. Er hatte geschrieben, es ginge ihm soweit gut, bis auf sein Bein. Was für eine Verwundung er nun hat, weiß ich auch nicht. Auch Hans Aßmussen ist zum zweiten mal verwundet. Niggenkämpers Tönne ist in Frankreich vermißt. Das wäre wohl das Neuste aus der Heimat.

Lieber Alfons, wie Du schreibst, warst Du sehr erstaunt als ich Dir von der Verhandlung des Bildes schrieb. Nun darfst Du natürlich nicht denken, ich hätte nach dem Bild gefragt. Nein, um Gottes-willen. Deine liebe Mutter hat mir dasselbe unter Beisein Deines Vaters und Bruders gegeben. Aber wer freut sich wohl mehr als ich. Ich wünsche nur das eine, daß Du bald zu mir zurück kommst. Wenn ich allerdings mal etwas länger als gewöhnlich auf Post warten muß, so sehe ich nur das schöne Bild an und gehe dann mit dem Gedanken schlafen: "Einmal wirst Du wieder bei mir sein, einmal wird es ganz gewiß Dir klar, daß ich doch die Allerbeste war.
Nun ist's schon fast 11 Uhr und es wird Zeit für mich, daß ich schlafen gehe. Wünsche Dir eine recht gute Nacht. Es grüßt und küßt Dich
Deine Agnes
Viele liebe Grüße auch von meinen lieben Eltern und von Paula.
Gute Nacht.

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Eddi Slovik
Und nun noch die ein paar Ereignisse vom 11. November:
  • Der US-Soldat Eddi Slovik wird von einem Kriegsgericht wegen Fahnenflucht zum Tode verurteilt und am 31. Januar 1945 erschossen. Er ist der einzige von 40 000 US-Deserteuren, der wegen dieses Vergehens hingerichtet wird.
  • In Bern stellt der Ingenieur Karl Zanini eine Baumaschine vor, die nach seinen Angaben Bombardierungsschutt in vollwertiges Baumaterial umwandeln kann. (Quelle)
Bergwerk Alpeiner Scharte

Polizeibericht des Gendarmeriepostens Steinach am Brenner vom 11.11.1944 an die Staatsanwaltschaft Innsbruck. Eine Staublawine forderte 22 Tote, die meisten unter Ihnen waren russische Zwangsarbeiter, aber auch Italiener, Österreicher und Deutsche. (mehr dazu erfahrt Ihr hier - ist gleichzeitig die Quellenangabe)




In Verl bei Agnes war Einiges los. Anders als im Krieg - dort war es "relativ" ruhig. Seht in den nächsten zwei Briefen, dass es nur die Ruhe vor dem Sturm war.




Dienstag, 1. November 2016

Kapitel 5 - Sechster Brief - Kommentar "Hoffnung"

Meine Lieben,

Nun sind wir im November angekommen.
Ich wünsche Euch allen einen schönen Feiertag.
Dem entsprechend nun der sechsten Brief von Agnes an ihren Alfons. 
Agnes hat diesen ersten Brief im November auf einem damals üblichen "Feldpost"-Bogen geschrieben. Sehr wahrscheinlich hoffte sie so, eine Antwort von ihrem Geliebten zu erhalten. Näheres erfahrt Ihr dann unten.
Ich werde Euch zunächst den Brief wieder abschreiben. Danach werde ich einen Kommentar dazu schreiben. Keine Angst - ich werde nichts zur Rechtschreibung schreiben.





Verl, den 1.11.44

Mein lieber Alfons!

Nun habe ich schon fast drei Wochen keine Nachricht von Dir. Habe immer geschrieben und bisher noch keine Antwort erhalten. Wie geht es Dir? Ich hoffe doch, gut. Von mir und meinen Lieben, kann ich Dir auch alles Gute mitteilen. Heute am Allerheiligennachmittag ist es so schön ruhig und still. Aus dieser Stille heraus will ich Dir recht liebe Grüße ins Feld senden. Du wirst wohl nichts von dem schönen Feiertag gemerkt haben. Allerdings ging ja auch hier das alltägliche Leben weiter, doch die Mehrzahl der Bevölkerung hielt ihren Feiertag in Ehren. Heute morgen war es in der Kirche so feierlich. Weil aber nur Werktagsgottesdienst stattfinden durfte, ist heute abend um 8 Uhr noch eine hl. Messe und zwar für alle Soldaten. Ich freue mich schon darauf, denn ich weiß, daß auch ich für einen lieben Menschen, den das Schicksal so weit von mir getrennt hat, beten darf.
Meine Briefe, oder besser gesagt, wenigstens einen derselben wirst Du wohl inzwischen bekommen haben. In der Hoffnung, nun bald wieder etwas von Dir zu hören, will ich schließen, denn ich möchte noch mit meiner Mutter zum Friedhof. Es grüßt Dich recht herzl.
Deine Agnes.

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Kommentar


Zunächst etwas Hintergrund zur Feldpostnummer: 
Die deutsche Feldpostnummer war eine Art Postleitzahl für Sendungen der Feldpost bzw. Luftfeldpost. Jeder militärischen Einheit war eine bestimmte Feldpostnummer zugeordnet.

Die Feldpostnummer 11471 auf Agnes' Brief sagte Folgendes aus: (soweit ich es recherchieren konnte)
  • Vom 24.03. bis 06.11. (ernannt 22.04.1944) war es die 14. Kompanie Grenadier-(Feldausbildung)Regiment Nordukraine und war dann vom 07.11. bis Kriegsende (ernannt 08.02.1945) die 14. Kompanie Grenadier-(Feldausbildung)Regiment 562. (Quelle)
    Bild Wikipedia - Deutsche Gebirgsjäger
  • "Heeresgruppe Ukraine" - Im August 1944 umfasste sie die 4. Panzerarmee, die 17. Armee und die Armeegruppe Heinrici und verteidigte in Galizien zwischen Karpaten und Pripjet-Sümpfen. Am 23. September wurde sie dann in Heeresgruppe A umbenannt.
  • Die "Heeresgruppe A" verteidigte Südpolen und die Slowakei mit der 9. Armee (von Heeresgruppe Mitte) und der 4. Panzerarmee hinter der Weichsel, der (neuaufgestellten) 17. Armee zwischen Weichsel und Beskiden und der 1. Panzerarmee in der Slowakei. 
  • Die Heeresgruppe A wurde Anfang Januar 1945 durch die sowjetische Offensive aus dem Baranow-Brückenkopf (Link zur "Weichsel-Oder-Operation") heraus zerschlagen. Am 25. Januar 1945 erfolgte die letzte Umbenennung, diesmal in Heeresgruppe Mitte. (Quelle)


Soldbuch Alfons - "Location Vranow/Slowakei"
Dokumente aus Alfons' Gefangenschaft beweisen, dass er der Heeresgruppe A bzw. Mitte angehörte. Zu dem Zeitpunkt, wo Agnes die erste Feldpostnummer auf einem Brief benutzte, befand sich Alfons bereits in der Slowakei.





Die Ungewissheit macht einen beinahe wahnsinnig. Ein Gefühl, welches mit jedem Tag schlimmer wird. Nichts zu wissen und Nichts von einem geliebten Menschen zu hören, ist eine große emotionale Belastung - in unserem Fall, sicher nicht nur für Agnes alleine.
In ihren Zeilen verbarg sie diese Sorgen und Ängste, indem sie schrieb, was um sie herum passierte. Sie bezog ihn in ihre Gebete ein und hoffte. Ja, dieser Brief ist voller Hoffnung. 🍀
Agnes wusste wahrscheinlich, dass Hitler mit dem Volkssturm seine "letzten Reserven" an die Ostfront geschickt hatte und Alfons sich genau dort befand. Dass Agnes seit Wochen nichts mehr von ihrem Liebsten gehört bzw. gelesen hatte, war deshalb sehr verständlich. Trotzdem blieb sie, Alfons gegenüber, positiv gestimmt. "...das alltägliche Leben geht weiter..." 
Und das macht den Brief, für mich, so besonders. Er berührt, weil er natürlich (authentisch) ist. Man fühlt mit Agnes und ist genauso traurig und verzweifelt wie sie. 
"Eines Tages wird alles gut sein, das ist unsere Hoffnung. Heute ist alles in Ordnung, das ist unsere Illusion." (Voltaire)
 Ich hätte Agnes nach diesem Brief gerne gesagt: 
"Hoffe weiter - es wird alles gut!"