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Sonntag, 13. November 2016

Kapitel 6 - Siebter und Achter Brief - Kriegsgeschehnisse

Meine Lieben,

Endlich hat Agnes etwas von Alfons "gehört"... 
Seht was sie in ihrem siebten Brief geschrieben hat... und spürt ihre Emotionen... Agnes, wie sie eben war!

 Verl, den 5.11.44.

Mein lieber Alfons!

Nach drei Wochen langem Warten, erhielt ich am Freitag Deinen lieben Brief vom 25.10. Ich habe mich sehr gefreut, endlich einmal wieder ein paar liebe Zeilen von Dir in Händen zu halten. Ich erwidere Deinen lieben Brief mit herzlichen Dank und den besten Sonntagsgrüßen. Wie Du schreibst, hast Du zwei meiner Briefe bekommen.
Komme nun gerade aufs der Andacht, will jetzt den angefangenen Brief vollenden. Der Herr Pater hat wieder einmal wunderbar gepredigt, im Hinblick auf das Fest "Aller Heiligen". Selbstverständlich hat er auch die Panzerliebchen erwähnt.
Lieber Alfons, Du meinst also auch für
Zivilisten wäre in Verl jetzt kein Platz mehr. O ja, die Verler Damen haben sich im allgemeinen nicht so gut bewährt, in Beziehung auf Panzerbetreuung. Die meisten haben schon die Nase voll. Ich hatte am Freitag im Cafe Dienst. Aber immer wieder mußte ich, ob ich wollte oder nicht, mit anhören, wie die Herren verschiedene Damen mannhaft mannhaft machten un über dieselben witzelten und lachten. Scheinbar marken die Mädchen das garnicht. Ich staune nur. Man kann das alles nicht so wiedergeben, was alles hier vorkommt.
Nun zur Sache. Du schreibst in Deinem Brief und erklärst alles, was mir bisher unerklärlich war. Auch fragst Du mich, ob ich die genannte Ursula nicht gesehen hätte. Ja, gesehen habe ich sie zwar, doch könnte ich sie mir nicht vorstellen.

Ja, lieber Alfons, all das versteh ich und glaube es auch gern. Aber eines kann ich nicht fassen, daß Du wirklich meinst, ich nahm Dich nicht ernst. Wäre das der Fall, hätte ich ja schon längst abschwenken können. Ich hoffe doch, daß Du mir so viel Vertrauen schenkst und mir nicht so etwas zumutest. Wenn man mir auch fälschlich alles möchliche nachsagt. Auch Duch schreibst, ich wäre oft noch Herford gefahren. Nein, lieber Alfons, das kannst Du mir ja nun nicht vorwerfen. Erstens bin ich nur ein einziges mal nach Herford gewesen und 2. lediglich nur um dort meinen Bruder um Lazarett zu besuchen. Nicht wie Du annimmst, mich dort zu amüsieren. Schließlich bin ich ja keine Abendteurin. Das Rolf Dich so gefragt hat finde ich komisch. Bin ich ihm
vielleicht so vorgekommen. Du schreibst, wenn wir zusammen gewesen wären, hätte ich oft wegwerfende Bemerkungen gemacht und geringschätzig über Dich gelacht. Also, ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus. So böse war das doch sicherlich nicht gemeint. Du kennst doch auch das alte Sprichwort: "Was sich liebt, das neckt sich." Und ich glaube, das ist auch bei uns so. Aber trotzdem komme ich mir wie ein schwarzes Schaf vor. Besonders jetzt, wo Du mir vorwirfst, ich hätte Deine Briefe meinen Freundinnen lesen lassen. Nein, da bleibt mir aber langsam der Verstand stehen. Dein ersten Brief, den Du mir mit den Bildern zusammen schicktest, habe ich Anneliese vorgelesen, weil Du in demselben von den Bildern schriebst. Und weiter hat keine meiner Freundinnen einen Deiner Briefe gesehen.
Das man mir eine solche Gemeinheit nachsagt, hat mich schwer getroffen. Ich weiß ganz genau, daß es Mißmacher genug in Verl gibt, die alles versuchen, mich nur schlecht zu machen und ins falsche Licht zu stellen. Auch weiß ich nur zu gut, woher dieses alles rührt.
Ich habe, als ich den Brief gelesen hatte, mich in mein Schlafzimmer gesetzt und mich ausgeweint. Dann konnte ich die Stille um mich nicht mehr ertragen, bin zu Mutter gegangen und habe ihr mein Herz ausgeschüttelt. Sie hat mir das eine gesagt: "Wer liebt, muß leiden." Mit dem Gedanken habe ich mich dann vertraut gemacht und bin wieder an  meine Arbeit gegangen. Habe mir gesagt, ja, meine Mutter hat recht. Gern will ich leiden, aber wenn man mir etwas unwahres in so einer Form nachsagt, das kann ich nicht ertragen. Wenn andre also mehr Einfluß auf Dich haben, als ich tut es mir
wirklich leid. Ich hoffe allerdings doch, daß Du mir soviel Vertrauen schenkst und mir glaubst. 
Lieber Alfons, Du schreibst, vielleicht schicktest Du mir im nächsten Brief ein Bild von Dir mit. Du wirst wohl inzwischen meinen Brief erhalten haben in dem ich Dir mitteilte, daß Deine lb. Mutter mir schon ein Bild geschenkt hat. Es ist ja ganz wunderbar geworden. Genau so natürlich wie Du bist. 
Ich hatte Dir auch geschrieben, daß der Hermann Wittkemper gefallen wäre. Das muß ich allerdings wiederrufen, denn das haben die Leute mir so erzählt. Ein Mädel hat auch einen Brief zurück bekommen, mit dem Vermerkt "Gefallen für Großdeutschland." Nun muß man erst einmal abwarten. Wäre ja furchtbar, wenn es wahr wäre.
Nun will ich endlich schließen und Dich
recht herzlich grüßen
Deine Dich liebende
Agnes
Einen schönen Gruß von meinen lb. Eltern und von Paula

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Man merkt deutlich wie es Agnes geht und dass man sie ganz schön verletzt hat. Aber sie schreibt es ehrlich nieder und so war sie einfach.

Sonst passierte an diesem Sonntag, des 5. Novembers 1944 nicht sehr viel:

  • Deutsche Truppen erobern die ostpreußische Stadt Goldap zurück, die am 22. Oktober von der Roten Armee eingenommen worden war.
Alliiertes Flugblatt ZG 75 (Vorderseite), abgeworfen über Frankfurt

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Achter Brief

 Verl, den 11.11.44.

Mein lieber Alfons!

Nach einer angeregten und mit Arbeit überfüllten Woche, sende ich Dir recht herzliche Sonntagsgrüße. Habe von Dir in Kürze drei liebe Briefe bekommen und vom 11.10., vom 27.10. und vom 31.10. Ich wußte vor Freude nicht wohin. Sage Dir auch meinen herzlichen Dank. In der vergangenen Woche, habe ich wirklich  nicht schreiben können. Wir hatten den Anstreicher im Haus. Dann war in derselben Woche Schlachttag und großes Wursten. Nun kannst Du Dir ungefähr vorstellen, wieviel Arbeit bei uns war. Und alles bleibt doch so zu sagen nur auch auf meiner Mutter und mir hängen. Und dazu muß ich noch in der Backstube helfen. Ich möchte manchmal verzweifelt. Aber dann sage ich mir immer wieder, es ist gut, daß man noch Arbeit hat, damit man besser über alles hinwegkommt. Heute nachmittag war ich zum Heimabend und anschließend zur Andacht. Bin dann schnell nach Hause gegangen, denn ich wollte Dir ja noch schreiben. Als ich

natürlich wiederkam saß der Skatklub zusammen. Da war es für mich zu unruhig. Sitze jetzt im Zimmer. Der Regen schlägt nur immer so an die Fenster. Es ist nämlich seit acht Tagen ein furchtbares Wetter. Nur Regen u. Sturm.
Lieber Alfons, Du hast doch die Anni gekannt, mit der ich mal auf Holzschuhball bei Euch zu Hause war. Deren Mutter und ihr viereinhalbjähriges Brüderchen sind heute morgen mit einem Militärlastwagen hier angekommen. Haben alles verloren, das Haus ist ausgebrannt. Was die arme Frau mitgemacht hat, kann man garnicht schildern. Sie ist seit Donnerstag abend unterwegs gewesen. Das Auto hat wohl versagt, dann sind sie wieder in einem Vorort von Wanne-Eickel einem Bombenhagel ausgesetzt gewesen. Die Frau ist mit ihren Nerven total herunter. Dazu hat sie noch ein offenes Bein. Ende dieser kommenden Woche wird sie wohl ins Krankenhaus kommen. Den kleinen Heinz behalten wir bei uns. Das ist vielleicht ein kleiner Räuber. Der bekommt noch viel Rüge ehe der mal so ist, wie er sein muß. Aber ich werd' ihn schon erziehen. Der hängt jetzt schon den ganzen Tag an mir.
Lieber Alfons, Du schreibst in Deinem Brief Du wärest gespannt, wie lange wohl der Brief mit der Freimarke unterwegs wäre. Den habe ich von all den frei anderen Briefen zu erst erhalten. Derselbe war sechs Tage unterwegs. Es ist schade, daß die Post so schlecht verkehrt. Am Freitag habe ich zwei ein-Kilo-Päckchen abgeschickt an die genannte Adresse. Eines mit Äpfeln und ein zweites mit sonstigen Sachen. Hoffentlich bekommst Du sie bald. Es täte mit leid, wenn sie nicht den Bestimmungsort erreichen.
Dann schreibst Du, daß dort so viele Partisanen sich herumtreiben. Nimm Dich nur in acht vor dieser Bande. Mein Bruder ist sehr wahrscheinlich auch von Herford weggekommen. Denn er schreibt nicht und ruft nicht an, und alle Briefe, die wir an ihn geschrieben haben, kommen zurück, mit dem Vermerk: "Zurück; Neue Anschrift abwarten." Nun bin ich mal gespannt, wo der arme Kerl steckt. Werner Diekämper ist auch verwundet. Er hatte geschrieben, es ginge ihm soweit gut, bis auf sein Bein. Was für eine Verwundung er nun hat, weiß ich auch nicht. Auch Hans Aßmussen ist zum zweiten mal verwundet. Niggenkämpers Tönne ist in Frankreich vermißt. Das wäre wohl das Neuste aus der Heimat.

Lieber Alfons, wie Du schreibst, warst Du sehr erstaunt als ich Dir von der Verhandlung des Bildes schrieb. Nun darfst Du natürlich nicht denken, ich hätte nach dem Bild gefragt. Nein, um Gottes-willen. Deine liebe Mutter hat mir dasselbe unter Beisein Deines Vaters und Bruders gegeben. Aber wer freut sich wohl mehr als ich. Ich wünsche nur das eine, daß Du bald zu mir zurück kommst. Wenn ich allerdings mal etwas länger als gewöhnlich auf Post warten muß, so sehe ich nur das schöne Bild an und gehe dann mit dem Gedanken schlafen: "Einmal wirst Du wieder bei mir sein, einmal wird es ganz gewiß Dir klar, daß ich doch die Allerbeste war.
Nun ist's schon fast 11 Uhr und es wird Zeit für mich, daß ich schlafen gehe. Wünsche Dir eine recht gute Nacht. Es grüßt und küßt Dich
Deine Agnes
Viele liebe Grüße auch von meinen lieben Eltern und von Paula.
Gute Nacht.

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Eddi Slovik
Und nun noch die ein paar Ereignisse vom 11. November:
  • Der US-Soldat Eddi Slovik wird von einem Kriegsgericht wegen Fahnenflucht zum Tode verurteilt und am 31. Januar 1945 erschossen. Er ist der einzige von 40 000 US-Deserteuren, der wegen dieses Vergehens hingerichtet wird.
  • In Bern stellt der Ingenieur Karl Zanini eine Baumaschine vor, die nach seinen Angaben Bombardierungsschutt in vollwertiges Baumaterial umwandeln kann. (Quelle)
Bergwerk Alpeiner Scharte

Polizeibericht des Gendarmeriepostens Steinach am Brenner vom 11.11.1944 an die Staatsanwaltschaft Innsbruck. Eine Staublawine forderte 22 Tote, die meisten unter Ihnen waren russische Zwangsarbeiter, aber auch Italiener, Österreicher und Deutsche. (mehr dazu erfahrt Ihr hier - ist gleichzeitig die Quellenangabe)




In Verl bei Agnes war Einiges los. Anders als im Krieg - dort war es "relativ" ruhig. Seht in den nächsten zwei Briefen, dass es nur die Ruhe vor dem Sturm war.




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