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Sonntag, 2. Oktober 2016

Kapitel 2 - Erster Brief und Kriegsgeschehen

Nun kommen wir zum ersten Brief von Agnes

Meine Lieben,

Ich werde Euch den Brief abschreiben - für diejenigen unter Euch, die diese alte Handschrift schwer entschlüsseln können. Aber versucht es zunächst einmal selbst. Anschließend werde ich noch ein paar Kriegsgeschehnisse zum Datum des Briefes nennen.

Verl, den 15.10.44

Mein lieber Alfons!

Recht herzliche Sonntagsgrüße aus der lieben Heimat sendet Dir Deine Agnes. Nachdem ich nun vergeblich auf Post von Dir gewartet hatte, unterbrach ein Brief, von Deiner lieben Hand geschrieben, das lange Schweigen. Deine lieben Zeilen erreichten mich heute, am Sonntag und waren somit meine größte und schönste Sonntagsfreude. Ich will nun nicht lange säumen, Deinen lieben Brief zu beantworten und mich gleichzeitig für denselben zu bedanken. Wie aus Deinen Zeilen ersichtlich ist, geht es Dir soweit noch gut. Bei mir ist auch alles wieder in bester Ordnung. Meine Beine sind wieder gesund. Herr Dr. Borgmann hatte mir schon ein Angst ein-



gejagt, dass ich am liebsten verzweifelt hätte. Unter Umständen könnte man mir das Bein abnehmen und derartige Sachen hat der mir da erzählt. Dann bin ich bei Herrn Dr. Jaspers in Behandlung gewesen. Der hat mich ausgelacht, als ich ihm das sagte. Natürlich bin ich jetzt froh, da alles gut gegangen hat.

Lieber Alfons, Du schriebst in Deinem Brief, ich könnte jetzt wohl Ersatz bekommen. Dann müßte ich aber lange suchen, ehe ich einen fände, der Dich ersetzen könnte. Ich glaube ja, daß Du mir so viel Vertrauen schenkst und nicht an so etwas denkst. Wenn man Dir vielleicht auch auf unwahren Wegen irgend etwas unterbreitet hat. Ich hoffe doch, daß Du ich mittlerweile kennst. Und der eine Grundsatz steht für mich fest, Dich oder keinen.
Ich habe es Dir ja schon immer gesagt, daß ich Dich gern hab. Aber erst jetzt kommt mir so recht zum Bewußtsein, was Du mir warst.

Am vergangenen Sonntag war ich im Kino, "Ein schöner Tag" wurde gegeben, war sehr schön. Aber so eine Fülle hab' ich noch nie gesehen. Ich war wohl von den gleichen Gedanken umworben als Du, wie Du dort im Kino gesessen hast. Es war doch zu schön, wenn wir zusammen waren. Nun lieber Alfons erwähnst Du in Deinem Brief wieder jenes häßliche Wort, das ich an einem Abend zu Dir gesagt habe. Sag mal, kannst Du das nicht vergessen? Es war bestimmt nicht meine Absicht, Dich so damit zu kränken. Ich habe das im Scherz gemeint und Du faßt das als eine Beleidigung auf. Ich kann mir garnicht vorstellen, wie man sich über so eine Kleinigkeit


aufregen kann. Ich möchte Dich nun, da wir so weit voneinander sind, um eines bitten, verzeih mir bitte dieses Vergehen, und sei wieder mein lieber guter Alfons.

Wie Du schreibst, ist Deine Ausbildungszeit ja bald zu Ende und Du kommst dann zum Einsatz. Sei mir unbesorgt, das treue Gebet Deiner lieben Mutter begleitet Dich auf allen Wegen. Ich sehe sie immer des Sonntags, wie sie so andächtig zu hl. Kommunion geht. Alles aus Liebe zu Dir. Du kannst nur froh sein, daß Du eine so gute Mutter hast. Vergiß nicht, auch in de Fremde, für sie zu beten. Auch ich schließe Dich in jedes Morgen- und Abendgebet mit ein. So kannst Du versichert sein, daß der hl. Gott Dich auch in dieser schweren Zeit beschützt.

In der vergangenen Woche waren

die Flieger so furchtbar am Werk. In Bielefeld haben sie fürchterlich gehaust. Auch in der letzten Nacht waren sie mit großen Verbänden hier. Zwei deutsche Jäger sind abgestürzt. Hoffentlich lassen sie uns hier in Ruhe und Frieden. Meine Schwester schrieb, ich sollte kommen. Aber ich habe zu viel Angst vor Fliegerbeschuß auf der Fahrt. Nun habe ich Dir wohl alle Neuigkeiten mitgeteilt und will darum nun schließen, denn ich wollte noch eine kleines Mittagsschläfchen halten.
Es grüßt Dich zum Schluß nochmals herzlich Deine immer an Dich denkende Agnes.
Denk bitte mal an ein Bild.

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Kriegssituation an diesem Tag


Alfons ging es soweit gut. Er befand sich -wahrscheinlich- zu diesem Zeitpunkt auf den Weg an die Ostfront.
  • SS-Männer entführten den Sohn des ungarischen Regenten Horthy und die deutsche 24. Panzer-Divison rückte in Budapest ein. Ungarn, das bereits Mitte März von Deutschland besetzt wurde, beabsichtigte am 15. Oktober 1944 offiziell einen Waffenstillstand mit den Alliierten zu schließen. Jedoch konfrontierte der deutsche Gesandte Veesenmayer Horthy mit der Drohung, seinen Sohn erschießen zu lassen. Horthy und sein Ministerpräsident, General Lakatos, traten daraufhin am nächsten Tag zurück.
  • Die Alliierten starteten einen Luftangriff auf die Sorpetalsperre: Lancaster-Bomber erzielten direkte Treffer auf die große Erd- und Betonkonstruktion mit 12.000-Pfund-Bomben. (Quelle)
Das brennende Braunschweig
  • Am selben Tag war aber der schlimmste Angriff, der auf die Stadt Braunschweig. Der Bombenangriff durch die 5. Bombergruppe der Royal Air Force (RAF) markierte den Höhepunkt der Zerstörung der Stadt. Der Luftangriff erzeugte einen Feuersturm, nach dem Braunschweig zweieinhalb Tage ununterbrochen brannte. Er zerstörte über 90 % der mittelalterlich geprägten Innenstadt. Das Erscheinungsbild der Stadt wurde bis in die Gegenwart hinein nachhaltig verändert. (Quelle)
  • In Auschwitz wurden in der Gaskammer des Krematoriums II 3.000 nicht als Häftlinge registrierte jüdische Frauen getötet. (Quelle)


In Kapitel 3 erfahrt Ihr etwas von Agnes romantischer Seite. 
Es werden aber auch wieder Kriegsgeschehnisse enthalten sein. 
Bleibt weiter gespannt!

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