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Sonntag, 25. September 2016

Kapitel 1 - Kennenlernen und Einberufung (1942 - 1944)

Wie haben sich Agnes und Alfons kennengelernt haben


Meine Lieben,

Wie sich die zwei Liebenden tatsächlich kennengelernt haben, können wir nicht mehr in Erfahren bringen. Ihre Kinder haben mir aber auf diese Fragen Antworten gegeben, die ich nun zusammen gefasst habe.
Hans und Sophie Scholl, Christoph Probst v.l.n.r.
Bild-Quelle

Wir nehmen das Jahr 1942. Es gab keine Aussicht auf Frieden - der Zweite Weltkrieg war in vollem Gange. Es war das Jahr in dem Rostock vollständig von den Alliierten zerstört wurde, die Gründungserklärung der Vereinten Nationen durch 26 Staaten in Washington D.C unterzeichnet wurde und der US-amerikanische Propaganda-Film "Casablanca" ins Kino kam. In diesem Sommer, wo sich unsere Liebenden fanden, wurde auch die Widerstandsgruppe "Weiße Rose" in München gegründet. Ihr gehörten u.a. die Geschwister Scholl (Hans und Sophie) an. (Quelle)

Das Amt Verl blieb bis auf einen Fall 1938 weitgehend vom Krieg unberührt. Erst im April 1945 erreichten Amerikanische Truppen Verl und verkündeten das Kriegsende und befreiten jüdische Gefangene in Kaunitz. (Quelle Stadtgeschichte Verl)

Aus dem Prolog wissen wir, dass Agnes in der Bäckerei ihrer Eltern arbeitete. Diverse Male traf sie morgens einen jungen Mann, der in der Bäckerei Brötchen holte. Agnes war gerade mal 17 Jahre, aber dieser Mann schien ihr nicht mehr aus dem Kopf zu gehen. Sah er sie doch immer so verlegen an. Da sind die ersten Funken übergesprungen.


Agnes im Garten
Alfons Weihnachten 1941
Alfons war ein Jahr älter als seine Auserwählte. Er war im letzten Lehrjahr beim Verler Spar- u. Darlehnskassen-Verein und sollte im November bei einer Firma für Holz- und Grubenarbeiten in Gütersloh anfangen. Die Familien trafen sich damals auch oft Sonntags in der Kirche. Schließlich war Alfons meist am Wochenende zuhause. So kam man immer wieder ins Gespräch.
Die Strecke von Bornholte/Verl nach Gütersloh wurde überwiegend mit Zug bewältigt. Automobile konnte man sich in der damaligen Zeit nicht oft leisten und wenn dann kosteten sie so viel Unterhalt, dass das "Gefährt" selten benutzt wurde.
Erste Annäherungen zwischen Agnes und Alfons geschahen im Sommer auf dem Heimweg von einem Fest. Wie es sich gehörte, begleitete Alfons seine Agnes nach Hause - wobei man eigentlich sagen muss, dass sie mit ihm spazieren ging. Sie wohnte schließlich in Verl und sie gingen Richtung Bornholte, Alfons' Zuhause. (Wir denken es könnte ein Schützenfest gewesen sein, dennoch waren diese aufgrund des Krieges verboten. Zumal viele Männer in den Wehrdienst berufen worden waren.)
Jedenfalls stand plötzlich eine alte Badewanne am Weg, unweit vom elterlichen Hof von Alfons. Sie ließen sich auf dem Rand der Wanne nieder und unterhielten sich. Alfons war zunächst recht schüchtern und zurückhaltend. Doch irgendwann wurde seine Geduld mit einem zarten ersten Kuss von Agnes belohnt.

Von da an nahm diese Liebesgeschichte seinen Lauf.

Man feierte gemeinsam Geburtstage und verbrachte Zeit miteinander, wenn sich die Gelegenheit ergab. Immer unter den wachsamen Augen der Eltern. Aber auch stets mit einer gewissen Angst und Unsicherheit, dass Alfons vielleicht doch noch in den Krieg geschickt werden muss.
Am 23. August flogen die Deutschen einen massiven Luftangriff auf Stalingrad. Dies führte zur völligen Zerstörung der Stadt und zum Tod von tausend Zivilisten. (Quelle) 


Mitteilung Einweisung Alfons ins Krankenhaus Münster
Am 24. April 1942 erreichte die Familie schon einmal eine Hiobsbotschaft: Alfons wurde ins Standortlazarett nach Münster (Westf.) eingeliefert. Glücklicherweise war Alfons' Zustand nicht so dramatisch und eine weitere Nachricht von ihm selbst bestätigte, dass es nicht ganz so ernst um ihn stand. 
Früher wurden die meisten Krankenhäuser zu Standortlazaretten umfunktioniert - es herrschte schließlich immer noch Krieg.

Münster, den 25.4.42. 
Nachricht von Alfons aus Münster 
Liebe Eltern!
Möchte Euch kurz mitteilen daß ich krank bin und ins Standortlaz. eingeliefert wurde. Da ich noch Fieber habe und noch nicht aufstehen darf, kann ich selbst nicht schreiben. Ihr braucht Euch aber deswegen keine Sorgen machen. Falls Ihr Zeit habt, könnt Ihr mich ja mal besuchen kommen. Mit vielen Grüßen Euer Alfons
Bitte keine Lebensmittel mitbringen.

Euer Paket heute erhalten.
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Scholl-Denkstätte, München 
 1943 brachte Verl und Bornholte nur schlechte Nachrichten vom Krieg. Es war ein schreckliches Jahr und der Widerstand wurde immer größer. 
  • Erste deutsche Einheiten kapitulierten - am 31. Januar im Südkessel eingeschlossenen Einheiten in der Schlacht um Stalingrad und am 2. Februar die Deutsche 6. Armee im Nordkessel bei Stalingrad, mit fast Tausend in sowjetische Gefangenschaft geratenen Soldaten. 
  • Die Geschwister Scholl wurden am 18. Februar bei der Verteilung von Flugblättern an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) verhaftet und schließlich mit Freund Christian Probst vier Tage später hingerichtet. 
Zerstörte Möhnetalsperre
Bild-Quelle
  • Am 19. April brach der Aufstand der Juden im Warschauer Ghetto aus. 
  • Knapp vier Wochen später, am 16. Mai, wurde dieser Aufstand mit der Sprengung der Synagoge von den Deutschen niedergeschlagen. Der Abtransport fast einer halben Million Juden in die Konzentrationslager begann.
  • Am 17. Mai wurde die Möhnetalsperre im Sauerland durch britische Bombenangriffe zerstört. Etwa 1600 Menschen verloren durch die Flutwelle ihr Leben.
  • Ende Juli wurde Hamburg unter der "Operation Gomorrha" von Britischen und Amerikanischen Bombenangriffen dem Erdboden gleich gemacht. Der Link enthält ein Video, in dem der Angriff auf Hamburg in Bildern und O-Tönen zusammengefasst wird. Nur wer wirklich damit umgehen kann, sollte sich das Video ansehen.
  • Alliierte Bomber flogen am 13. August einen Angriff auf die Flugzeugwerke in Wien-Neustadt (Österreich) - es waren zu diesem Zeitpunkt die größten im Reich.
  • Das Konzentrationslager Kauen wurde am 15. September in Betrieb genommen.
  • Die Stadt Kassel wurde größtenteils durch einen britischen Bombenangriff am 22. Oktober zerstört. Tausende Menschen starben im Bombenhagel oder erstickten in Bunkern.
  • Vom 28. November bis 1. Dezember fand die Konferenz über die Neuordnung Europas nach der Beendigung des Zweiten Weltkrieges in Teheran statt.
Das Jahr brachte aber auch etwas Schönes...
Am 6. April erschien erstmals "Der kleine Prinz" von Antoine de Saint-Exupéry in New York. Le Petit Prince (Originaltitel) ist eine mit eigenen Illustrationen versehene Erzählung, die nachhaltig die Herzen der Menschen in der ganzen Welt erobert hat.

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Mit Beginn des Jahres 1944 erreichte der Zweite Weltkrieg unwiderruflich seine Endphase, auch wenn er noch nicht ganz ausgefochten war. Der kriegerische Alltag hatte die Weltbevölkerung fest im Griff. In Deutschland konnte nicht mal die "Die Feuerzangenbowle" für Heiterkeit sorgen. Agnes und Alfons mochten diesen Film mit Heinz Rühmann sehr. 


Claus Schenk Graf von Stauffenberg
(Bild Wikipeadia)
Beinahe täglich rückten die Alliierten überall weiter vor. Aber auch die Rote Armee zog stetig weiter gen Westen. Im März wurde innerhalb von vier Tagen Frankfurt am Main mit der Paulskirche und der Katharinenkirche zerstört. Von Mai bis Juli wird die von der SS angelaufene Liquidierung des sogenannten Zigeuner-Lagers, aufgrund der Erhebung der Sinti und Roma, im KZ Auschwitz-Birkenau (Polen), abgebrochen. Rom war kampflos an die Alliierten im Juni gefallen. Im selben Monat war die deutsche Heeresgruppe Mitte vollständig aufgerieben worden und zusammengebrochen.
Am 20. Juli scheiterte das Bombenattentat auf Adolf Hitler durch Graf von Stauffenberg. Er war als Stabschef beim Befehlshaber des Ersatzheeres entscheidend an der anschließenden „Operation Walküre“ beteiligt, dem Versuch eines Staatsstreiches. Nach dessen Scheitern wurde er auf Befehl von Generaloberst Friedrich Fromm am 21. Juli kurz nach Mitternacht im Hof des Berliner Bendlerblocks standrechtlich erschossen.

Einberufung zur Wehrmacht


Durch den immer größer werdenden Widerstand und dem Durchbruch an der deutschen Westfront geriet Hitler in "die Bredouille". Amerikanische und französische Verbände rückten immer näher.
Einberufungsbescheid (Original)

Am Mittwoch, den 16. August 1944 wurde somit auch Alfons zum 25. August in die Wehrmacht einberufen. 

Alfons sollten gerade mal sieben Tage bleiben um seine Sachen zu packen und sich von seiner Familie zu verabschieden. Seiner Freundin Agnes blieben nur die wenige Fotos. Wann der richtige Bescheid aus Bielefeld kam ist leider nicht bekannt.

Die "normale" Grundausbildung hatte er bereits hinter sich. Die militärische Grundausbildung am Gewehr dauerte jetzt "nur" noch sechs Wochen. Die Zeit musste für die Truppen verkürzt werden. Von Münster und Bielefeld über Hannover und Berlin sollte es dann an die Ostfront nach Polen gehen. Alfons gehörte dem 6. Wehrkreis an und war Anfang Dezember mit seiner Kompanie in Jaworzno (Polen) stationiert, von wo es dann weiter nach Vranow (Slowakai) ins Gefecht ging.

Mit der Aufstellung des sogenannten "Volkssturms" wurden im September auch Jugendliche und Senioren einberufen. Hitler mobilisierte damit die letzten Truppen aufgrund des Einmarsches in Ungarn. Glücklicherweise war Alfons' Bruder Hubert zu jung und sein Vater, aufgrund des Betriebes, unabkömmlich. 






Was in den folgenden Monaten an der Front und bei Agnes in Verl passierte, erzählen uns die Briefe von Agnes in den nun kommenden Kapiteln. Bleibt also weiterhin gespannt!


Sonntag, 18. September 2016

Prolog - Wer sind Agnes und Alfons? Teil 2

Vorstellung Alfons

Agnes und Alfons um 1949

Meine Lieben,


Nun, wie angekündigt, stelle ich Euch den männlichen Teil der "Geschichte" vor.


Alfons mit Bruder Hubert
und seinen Eltern 1941

Alfons unten links - Volksschule
Alfons wurde am 29. März 1924 in Bornholte (zum Amt Verl zugehörige Gemeinde), als ältester Sohn von Emilie und Hermann geboren.
Seinem jüngeren Bruder sah er als junger Mann zum Verwechseln ähnlich. Dies kam ihm in der Nachkriegszeit zu Gute. (Dazu in einem späteren Kapitel mehr.)


Abschlußzeugnis
Handelsschule
Abgangszeugnis
Berufsschule  
Alfons war ein recht guter Schüler. Er besuchte als Sechsjähriger für acht Jahre die Volksschule (Grundschule). Ging anschließend für zwei Jahre auf die Staatliche Handelsschule und machte danach eine kaufmännische Lehre im Bankwesen. Ende März 1942 erhielt er dann seinen Kaufmannsgehilfenbrief. 
Vater Hermann hatte einen Schlachtbetrieb, in dem Alfons, wie Bruder Hubert, bis zu seiner Lehre, mithalf. 
Kaufmannsgehilfenbrief

Nach Erfüllung seiner sechsmonatigen Arbeitsdienstpflicht von April 1942 arbeitete er in einem Industriebetrieb für Gruben- und Nutzholzhandlung/Sägewerk in Gütersloh. Hier wollte er Einblicke in kaufmännische Vorgänge erfahren. Hauptsächlich war er hier in der Einkaufsabteilung tätig.

Deutsches Reich - Kennkarte
Der Reichsarbeitsdienst (abgekürzt RAD) war eine Organisation im nationalsozialistischen Deutschen Reich. Das Gesetz für den Reichsarbeitsdienst wurde am 26. Juni 1935 erlassen. § 1 (2) lautete: Alle jungen Deutschen beiderlei Geschlechts sind verpflichtet, ihrem Volk im Reichsarbeitsdienst zu dienen. § 3 (1) lautete: Der Führer und Reichskanzler bestimmt die Zahl der jährlich einzuberufenden Dienstpflichtigen und setzt die Dauer der Dienstzeit fest.  
Zunächst wurden junge Männer (vor ihremWehrdienst) für sechs Monate zum Arbeitsdienst einberufen. ... Nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 und dem daraufhin an die Waffen-SS übergebenen Kommando über das Ersatzheer wurde dem RAD die 6-wöchige militärische Grundausbildung am Gewehr übertragen, um die Ausbildungszeit bei der Truppe zu verkürzen. (Quelle)

Von August 1944 bis Dezember 1945 war Alfons Soldat an der Ostfront, mit anschließender Gefangenschaft. 

Seine Bank-Lehre war, nach dem Krieg, der Grundstein für seine schnelle Karriere bei der Kreissparkasse Wiedenbrück.  (Von Dezember 1945 bis Ende Oktober 1947 war er im Elterlichen Betrieb beschäftigt.)

  • Am 3. November 1947 wurde er zunächst als Aushilfe in der Hauptzweigstelle der Kreissparkasse Wiedenbrück in Schloß-Holte eingestellt. 
  • 1950 und 1955 folgten Lehrgänge mit Fachprüfungen für den gehobenen Sparkassendienst an der Deutschen Sparkassenschule in Hannover. 
Ab 1962 in der Bundesregierung und 1965 in der DDR fand ein Wechsel zu jeweils eigenständigen Postleitzahlsystemen statt. Somit gehörte ab da Bornholte, Alfons' Wohnort, zu 4831 Verl (Westf.). Erst 1993 kamen dann die heutigen fünfstelligen Zahlen durch die Deutsche Bundespost.
  • Am 1. Juni 1963 wurde er unter Berufung in das "Beamtenverhältnis auf Probe" zum Kreissparkasseninspektor z.A. (zur Ausbildung) ernannt. Hierzu hatte er, wie oben erwähnt, im September 1950 die erste und im Dezember 1955 die zweite Fachprüfung abgelegt.
  • Am 1. April 1965 wurde Alfons unter Verleihung der Eigenschaft eines "Beamten auf Lebenszeit" zum Kreissparkasseninspektor ernannt.
  • Sparkassenkollegen 
  • Ein Jahr später, am 26. April 1966, wurde er dann Kreissparkassenoberinspektor.
  • Der 27. Februar 1970 war ein weiterer Schritt auf der Karriereleiter: Alfons wurde Kreissparkassenamtmann. Ebenfalls war er zu diesem Zeitpunkt schon Leiter der Zweigstelle in Verl.
  • Die zweit letzten Schritte folgten dann drei Jahre später: Wieder am 1. April 1973 wurde er zum Kreissparkassenoberamtmann ernannt und krönte dies mit der Bescheinigung über die berufs- und arbeitspädagogische Eignung für die Berufsausbildung (er wurde Ausbilder).

Bei 40 Jahren als "Bänker" hatte Alfons die Gemeinde Verl sehr geprägt und mit gestaltet. Viele Betriebe in und um Verl existieren noch heute durch Alfons' Hilfe. Noch lange, nachdem er 1987 in den Ruhestand gegangen war, kamen die Sparkassen-Kollegen zum Geburtstagsbesuch.


Und immer an seiner Seite war seine Agnes.
Später dann seine drei Kinder und neun Enkelkinder.

Agnes und Alfons mit den  Kindern 1963




Im ersten Kapitel erfahrt Ihr wie sich Agnes und Alfons kennen gelernt haben. 

Ebenfalls gehe ich hier auf seine späte Einberufung zum Wehrdienst ein und berichte über die Kriegsgeschehnisse. Bleibt also gespannt!

Sonntag, 11. September 2016

Prolog - Wer sind Agnes und Alfons? Teil 1

Vorstellung Agnes

Agnes und Alfons um 1949

Meine Lieben,

Bevor ich Euch auf die Reise in die Welt der Liebesbriefe von Agnes mitnehme, sollte ich Euch die beiden Personen, die meine Großeltern waren, vorstellen.

Beginnen wir, wie es sich gehört, mit der Dame.


Agnes mit Schwester Paula
Agnes am ersten Schultag
Agnes wurde am 3. August 1925, als Jüngste von vier Kindern in der Gemeinde Verl, nahe des Teutoburger-Waldes, geboren. Zu ihrer jüngeren Schwester Paula hatte sie ein besonderes Verhältnis. Aber auch mit ihrer zweiten Schwester Emma und dem Ältesten, Bruder Hubert, lebte sie ein beschauliches, aber sehr katholisches Leben.

Agnes besuchte die Schule und half später in der Bäckerei von Vater Josef mit. Neben einer strengen Hand ihrer Mutter Maria lernte sie rasch alles was ein junges Mädchen und zukünftige Ehefrau wissen musste. Sie war kein schüchternes Kind und verrichtete ihre Aufgaben sehr gewissenhaft. Agnes entdeckte schnell ihre Leidenschaft für die westfälische Kochkunst und das Backen.
Die Bäckerei mit Verkaufsraum
Das dazugehörige Café
Ich erinnere mich noch sehr gut. Meine Oma war eine ausgezeichnete Bäckerin und Köchin. Wir liebten ihre Püfferchen (ähnlich wie Pfannkuchen, nur wesentlich dicker und mit Rosinen) mit Rübenkraut (Zuckerrübensirup) und Reibeplätzchen (Reibekuchen). Ihre Eintröpfe waren in der ganzen Familie berühmt. Ich habe in meinem bisherigen Leben nicht mehr so ursprünglich, traditionell und lecker gegessen.

Agnes war ein "Arbeitstier". Sie fuhr den Milchwagen, arbeitete von früh bis spät in der Bäckerei und im Café und half in der angrenzenden Kneipe der Eltern mit. Heute würde man sie wahrscheinlich in Berufsgruppen wie Hauswirtschaftlerin, Konditorin und Köchin ordnen. Es gab fast nichts was Agnes nicht machte oder gar konnte.
Deutsches Reich - Kennkarte

Ihre Rolle als "Haustochter" kommt vom lateinischen filias hospitalis - einer sehr, sehr alten Bezeichnung. Ein Studium oder gar weiterführende Schule war ausschließlich Männern vorbehalten. Dieses Bild der Frau war besonders in Kriegszeiten und auch danach noch weit verbreitet.
 
Emma, Agnes und Paula
Agnes spielte diese Rolle perfekt. Nein. Sie lebte sie. Aber sie lernte sich durchzusetzen und in der dominanten Männerwelt zu behaupten. So christlich sie auch erzogen wurde, genauso "verrückt" konnte sie sein. Was sie sich in den Kopf gesetzt hatte, das hat sie meistens auch so bekommen oder umgesetzt.


Agnes mit Hermann 1955
Im Alter von 27 Jahren wurde Agnes zum ersten Mal Mama. Tochter Karola sah ihrer Mutter später zum Verwechseln ähnlich. 1955 und 1956 folgten dann die beiden Söhne - Hermann und Johannes. Alle drei Kinder gebar sie Zuhause. Die Nachbarin (Helfbernd's Friedchen) war die Hebamme. Zwar hatte Verl seit 1909 ein katholisches St.-Anna-Hospital (wurde 1988 zu einem Altenpflegezentrum) , aber es war damals noch recht üblich Kindern Zuhause das Licht der Welt zu schenken.


Agnes war nicht nur vom Sternzeichen eine Löwin. Sie war es auch im richtigen Leben. Und trotz aller Strenge, die sie zweifellos von ihren Eltern geerbt hatte, beschützte sie mit aller Kraft ihre Familie. Diese bedingungslose Liebe überstand selbst die schwierigsten Zeiten. Auch wenn Anpassung auf Veränderungen nicht zu ihren Stärken zählte, ihre größte Stärke kam aus ihrem Herzen.


Agnes und Alfons mit den  Kindern 1963



Im 2. Teil des Prologs stelle ich Euch Alfons vor.

Donnerstag, 8. September 2016

Vorwort - Hintergrund zum Blog

Meine Lieben,


Im Zeitalter von High Definition Ultra, Serien in Kinoqualität und SocialMedia Marketing Strategien befasst sich kaum noch jemand mit realen Büchern. Büchern aus Papier. Wir sind schlicht alle in den Online-Welten gefangen. Wenn man mal Zeit für ein spannendes Buch übrig hat, dann schaut man sich lieber aus einer Online-Mediathek einen Film oder eine Folge seiner Lieblingsserie an. Man kann egal wann unterbrechen und später weitersehen, ohne womöglich ein halbes Kapitel "zurückspulen" zu müssen, nur um den Anschluss wieder zu haben. Ist einfach und unkompliziert und es strengt nicht so an. Die Lesebedingungen, wie Umgebungslicht, sind höher als beim Fernsehen. So geht es mir jedenfalls schon seit längerem...

Das derzeitige politische Geschehen auf der Welt, die Flüchtlingssituation, dem Krieg in Syrien etc. machen mich persönlich, zu allem alltäglichen Stress, fassungslos. Unser Eins in Deutschland macht sich Gedanken über seine Freizeitaktivitäten, was dann teilweise schon in Stress und Zeitdruck ausartet. Wir regen uns auf, dass wir Fremde bei uns aufnehmen müssen. Fremde, die alles verloren habe und vor Tot und Zerstörung geflohen sind. Dabei hatte Deutschland - also WIR - das vor 70 Jahren auch erlebt! 
Auch wenn vielleicht Einige aus dieser Zeit nicht mehr leben, oder noch gar nicht auf der Welt waren und wir eh lieber alles schreckliche daran vergessen wollen. Es ist und bleibt ein Teil unserer Geschichte. Der Zweite Weltkrieg hat die gesamte Menschheit geprägt und nachhaltig verändert.

Anfang des Jahres kam unsere Familie zusammen und wir haben uns gemeinsam auf eine kleine Zeitreise begeben. Wir sind Kisten voller Erinnerungen durchgegangen. Wir haben unzählige alte Fotos gesehen und fanden Unterlagen, an deren Existenz niemand mehr geglaubt hatte.
Briefe von Agnes
Die Briefe meiner Großmutter Agnes, die sie an meinen Großvater Alfons während seiner Kriegszeit geschrieben hat, haben mich unweigerlich in ihren Bann gezogen. Umso mehr ich mich mit der Geschichte der Beiden beschäftigt habe, desto größer wurde diese Welt. Desto mehr konnte ich nachempfinden, was Krieg für beide Seiten (die Soldaten und die Zuhause-Gebliebenen) bedeutet hat. 
Monate später erzählte mir meine Tante, dass Opa seine Kriegsgeschichte aufgeschrieben hatte. Sie schickte mir die Datei und ich war sofort gefangen. Es ist eine Geschichte, die sich wirklich abgespielt hat. Kein Film, kein Video, kann diese Ereignisse wiedergeben, wie die Worte eines Soldaten und Überlebenden. Vor allem aber auch, wenn man denjenigen kennt und ihm so nah stand. Einfach unglaublich...


Ich will Euch nun eine Geschichte erzählen, über die Liebe, den Krieg und das Schicksal. Ich will die Bilder in einem Album sammeln und mit Euch teilen. 
Am Ende kam mir die Idee eines Buches. Ich will ein Buch schreiben. Ein Buch, das für jedermann zu jeder beliebigen Zeit zugänglich ist. Das zunehmende Online-Verhalten der Bevölkerung muss ich berücksichtigen. Also, das Buch "häppchenweise" präsentieren. Dass Ihr Euch wann auch immer mit dem "Buch" beschäftigen könnt. Und ich will Euch, meine LeserInnen, immer mal wieder aus der Welt von Agnes und Alfons holen, damit Euch bewusst wird, dass alles keine ausgedachte Geschichte, kein Märchen ist. Mit realen Fakten mache ich das, was vor über 70 Jahren passierte, wieder lebendig.

Ich schaffe hier nun eine Welt aus Realität und Vergangenheit. Ich mache auf schlimme gegenwärtige Situationen aufmerksam und erinnere Euch daran, was wirklich zählt: Liebe und Nächstenliebe. Verliert Euch in den Post in der Vergangenheit und blickt in die Zukunft, wenn ihr wider aufwacht.


So entstand dieser Blog.
Ein Blog, der eine Geschichte erzählt.
Ein Blog, mit Bildern und Fakten.
Ein Blog, aufgebaut in Kapiteln.
Ein Blog, der ein Buch sein soll.
Ein Buch für die Ewigkeit.






Im nächsten Post - dem Prolog - erfahrt Ihr um wen es sich eigentlich dreht. Bleibt also gespannt!
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